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                   Aus dem Nachwort 
                  Für Nietzsche war es das 
                    beste deutsche Buch, das es verdiene, wieder und wieder gelesen 
                    zu werden: „Goethes Unterhaltungen mit Eckermann“. 
                    Freilich ließ er keinen Zweifel daran, wem seine Wertschätzung 
                    galt: dem Geheimrat und nicht dessen Protokollanten. Der aber 
                    brachte das Buch 1836 unter dem Titel Gespräche mit Goethe 
                    heraus. Seine Gespräche waren es, doch wahrgenommen werden 
                    sie bis heute nur als die des anderen. 
                    Jedes Schulkind kennt seinen Namen. Eckermann ist berühmt, 
                    sein Buch viel gelesen und vor allem viel zitiert. Generationen 
                    von Germanisten und Autoren haben ihn abgeschrieben. Und doch 
                    gilt er ihnen allen insgeheim nur als das, was Heine mit entwaffnender 
                    Offenheit in ihm sah: „Goethes Papagei“. 
                    (...) 
                    Seit 150 Jahren geistert Eckermann als Spottfigur durch die 
                    deutsche Literaturgeschichte. Nicht so in der jüngsten 
                    Adaption des Stoffes, in dem vorliegenden Monolog von Jan 
                    Decker. Seine Spielidee ist die denkbar schönste: Eckermann 
                    kehrt 1846 nach Weimar zurück und muss sich für 
                    seine Flucht verantworten. Johann Christian August Heinroth, 
                    der erste deutsche Inhaber eines Lehrstuhls für „psychische 
                    Therapie“, soll für den Hof Eckermanns Zurechnungsfähigkeit 
                    begutachten. Heinroth hat tatsächlich den Begriff der 
                    „Person“ in die Krankheitslehre eingeführt. 
                    Störungen des Seelenlebens, wie sein Hauptwerk hieß, 
                    wollte er ganzheitlich aus der Lebensführung eines Menschen 
                    ergründen. Und so lässt er Eckermann in die Gründe 
                    seines Scheiterns hinabtauchen. Da ist zunächst und immer 
                    wiederkehrend die Armut, die jeden Ansatz einer geistigen 
                    Selbstbestimmung im Keim erstickt. Devot gesteht er im ersten 
                    Bild oder Akt seine Schuld, die in nichts als seiner Abhängigkeit 
                    vom Hof und von Goethe besteht. Im zweiten spricht er sich 
                    los davon, im wörtlichen Sinne: Wort für Wort würgt 
                    er aus sich heraus, was er all die Jahre lang geschluckt hat. 
                    All die Demütigungen, Grillen und Macken eines egomanischen 
                    Genies, an dem ganz Weimar leidet. Doch der Befreiungsakt 
                    scheitert erneut. Die verinnerlichte Stimme Goethes weist 
                    Eckermann im dritten Bild in seine Schranken. Der Goethe in 
                    ihm hat die Untersuchung inszeniert. Wie das? Der wirkliche 
                    Heinroth war 1843 bereits gestorben. Deshalb schweigt er auf 
                    der Bühne. Ist der Monolog das Traumspiel eines Verzweifelten, 
                    der resigniert an den Ort seiner einstigen Hoffnung zurück 
                    kehrt und den Verstand verliert? Nicht ganz. Der Wahn macht 
                    ihn hellsichtig. Fortan spielt er mit Freuden, was ihm bislang 
                    eine Qual war: den Papagei Goethes, jene Lebensrolle, für 
                    die er sein Futter vom Hofe erhält. Und die ihm ermöglicht, 
                    im vierten Band seiner Gespräche vielleicht doch die 
                    Wahrheit zu sagen ...  
                    Oder liegt die Wahrheit im Spiel selbst, in diesem Ringen 
                    mit dem Über-Ich der deutschen Literatur, das wie im 
                    Traum die Konturen einer anderen Anschauung der Dinge gebiert, 
                    die Ahnung, dass wir mehr sind als Personen, weil Persona 
                    ja nur die Maske meint, die wir einander vors Gesicht halten? 
                    Jan Decker, der Autor dieses Traumspiels der Klassik, wurde 
                    1977 in Kassel geboren, hat in Leipzig am Literaturinstitut 
                    studiert und lebt dort als Verfasser von Hörspielen, 
                    Theaterstücken, Essays und Erzählungen. 
                    Kay Voigtmann, Jahrgang 1968, beglückt von Gera aus wachsende 
                    Heerscharen von Kunstsammlern und Freunden des illustrierten 
                    Buches mit seinen wundersamen Wesen: niedlichen Geschöpfen 
                    mit insektenhaft gestreckten Gliedern und bissigen Zähnen. 
                    Biedermeier-Helden in Kafkas Welt, unserer Welt. Und sind 
                    wir nicht alle im Verhältnis zu den Goethes aller Zeiten 
                    lauter Eckermänner? 
                    
                  Pressestimmen 
                  Es mag zunächst überraschen, 
                    dass Eckermann als Monolog ausgewiesen ist, die dramatis personae 
                    aber Goethes einstiger Sekretär und Johann Christian 
                    Heinrich Heinroth, Professor für psychische Therapie 
                    an der Universität Leipzig, sein sollen. Der Untertitel 
                    hat dennoch seine Berechtigung. Denn Heinroth war im Jahr 
                    1846, in dem das Stück spielt, schon tot und soll (trotzdem) 
                    für den Hof Eckermanns Zurechnungsfähigkeit begutachten. 
                    So changiert das Stück im Spannungsfeld von Fakten und 
                    Fiktion, ist Dokumentation und Traum zugleich. Der Grafiker 
                    Kay Voigtmann aus Gera, Jg. 1968, hat Eckermanns introspektive 
                    Bekenntnisse in filigrane Zeichnungen umgesetzt, die kafkaesk 
                    anmuten. 
                     Kai Agthe, in: Palmbaum. Literarisches Journal aus 
                    Thüringen, Heft 1/2012 
                     
                    ... ein tief bohrendes Gespräch um Ängste, 
                    Abhängigkeiten und den Traum, Goethe zu entkommen. Bei 
                    aller Nähe, die zwischen Eckermann und dem Publikum entsteht, 
                    bleibt die Prosa kühl-distanziert, schlittert nie ins 
                    Voyeuristische – auch dort nicht, wo es um das aus Goethes 
                    Werk verbannte "Eingeständnis eines zu kurzen Pimmels 
                    als Staatsgeheimnis" geht. Ein besonderer Genuss besteht 
                    in der Leichtigkeit, mit der hier Fakt, Fiktion und Formulierkunst 
                    zu einem schillernden Neuen verwoben werden. Bei aller Exquisität 
                    und Gesetztheit seiner Prosa verfällt Decker nie in einen 
                    künstelnden oder bloßstellend-satirischen Duktus. 
                    Deckers Monolog hat seine bestrickendsten Seiten dort, wo 
                    ein zeitlos-universeller Geist zwischen den Zeilen atmet: 
                    Sein Weimar von anno 1846 wurzelt tief in unserer Gegenwart, 
                    in unser aller Verhältnis zu Goethe. Es geht letztlich 
                    um die Frage, ob man Goethe entkommt, indem man vor ihm flieht 
                    oder indem man sich ihm stellt. Damit wirft der Monolog eine 
                    existenzielle Frage auf, die man so schnell wie möglich 
                    auch im Theater gestellt bekommen will. 
                    Gregor Szyndler, in: Baseler Zeitung, 29.4. 2012 
                     
                    Deckers geschickt zwischen 
                    Komik und Tragik, Fakt und Fiktion, Selbstverteidigung und 
                    Anklage changierender Monolog präsentiert eine Figur, 
                    wie es sie in Goethes Umgebung zuhauf gab. Das hatte freilich 
                    weniger mit Goethe und mehr mit der ausgeprägten Untertanenmentalität 
                    seiner Getreuen zu tun, die der Weimarer Dichter einerseits 
                    beklagte, andererseits aber wohl auch erwartete. (...) Und 
                    so roch es in der Nähe des Literaturtitanen – wie 
                    Thomas Mann das ausdrückte – nur allzu sehr nach 
                    Opfer.  
                    Dietmar Jacobsen, in: Literaturkritik, Heft 6/2012 
                     
                    In mehreren Sitzungen 
                    mit dem Leipziger Medizinprofessor und psychischen Therapeuten 
                    Johann Christian Heinroth versucht Eckermann sich von seinem 
                    "Über-Ich" und der Enge Weimars zu befreien, 
                    bis er am Ende doch erkennen muss, dass "wir alle in 
                    Goethes Hand" sind und er nun bereit ist, mit Freuden 
                    zu sein, was er bisher unter Qualen war: "Goethes Papagei". 
                    Ob die Spielidee dieses Einpersonenstücks einen Theaterabend 
                    tragen und die Zuschauer fesseln kann, das wird eine künftige 
                    Aufführung zeigen.  
                    Dietmar Ebert, in: Thüringische Landeszeitung 
                    (TLZ) 
                     
                    Es gibt sie noch, in Inhalt und Form sehr 
                    gute Bücher zum erschwinglichen Preis. Gewiss, man muss 
                    sie suchen in den Buchhandlungen - auch weil ihr konstantes 
                    Format und äußeres Erscheinungsbild kein "lautes" 
                    ist, und ein Werbebudget für auffällige Präsentation 
                    einen kleinen Verlag überfordern. Doch die Suche wird 
                    belohnt. Einmal mehr beweist das die vom Jenaer Jens-Fietje 
                    Dwars 2005 begründete Reihe "Edition Ornament". 
                    (...) 
                    Wie Eckermann von der Couch aus versucht, sich vom "Über-Ich" 
                    und der Enge Weimars zu befreien, das ist spannend und mit 
                    einer gehörigen Portion Vergnügen zu lesen.  
                    Heinz Stade, in: Thüringer Allgemeine (TA) 
                  Herausgeber Jens-Fietje Dwars 
                    hat einem jungen Autor ein Podium geboten, der wiederum einem 
                    ollen Protokollanten die Ehre gibt. Jan Decker: Eckermann 
                    oder die Geburt der Psychoanalyse – „Theatermonolog 
                    in drei Bildern mit Zeichnungen von Kay Voigtmann“. 
                    In diesem Stück soll der brave Eckermann begründen, 
                    warum er immer wieder scheiterte, an sich und natürlich 
                    an Goethe. Ob das spielbar ist, bleibt vorerst eine Frage, 
                    gut lesbar ist es, meint der Rezensent, eine Spezies, die 
                    Goethe bekanntlich gern totschlagen ließe. 
                    Matthias Biskupek, in: Eulenspiegel, September 2012 
                     
                    (Das) Theaterstück könnte man sich auf kleinen Bühnen 
                    oder auch als Hörspiel sehr gut vorstellen. Decker versteht 
                    sich auf Eckermanns kleinen Kosmos, in dem auch das ambivalente 
                    Verhältnis zu Goethe plastisch wird. Und es ist logisch, 
                    dass bei einem Theatermonolog Heinroths Rolle eher als Transportmittel 
                    der Handlung genutzt wird, um dem »Über-Ich« 
                    des Klassikers Raum zu geben. Die Befreiung vom Schicksal 
                    Goethe gelingt Eckermann nicht, bis zum Schluss ist das Ausgegrenztsein 
                    von Rang und Stand sein Thema. Es mutet gestrig an und ist 
                    eigentlich doch recht gegenwärtig. 
                    Thomas Ernest, in: Ostragehege, 1/2013, Nr. 69, Dresden 
                     
                     
                    Jan Decker läßt den Adlatus des Weimarer 
                    Dichterfürsten seine an Goethe leidende Seele offenbaren. 
                    Der geistvolle Theatermonolog braucht den Vergleich mit Hacks' 
                    "Gespräch im Hause Stein" nicht zu scheuen. 
                    Verblüffend, wie passend Freudsche Kategorien anmuten, 
                    die in den Text eingestreut sind, wobei ja ein Prä-Freud, 
                    der Professor Heinroth, als schweigsamer Anwesender Eckermanns 
                    Beichte vernimmt. Drei montierte Zeichnungen von Kay Voigtmann 
                    mit grimmig-heiteren Porträts vor schwarzem Hintergrund 
                    sind das bildnerrische Äquivalent der literarischen Erhellung 
                    Eckermannscher Dunkelzonen. 
                    Jürgen Engler, in: Marginalien. Zeitschrift für 
                    Buchkunst und Bibliophilie, Heft 3/2013 
                     
                    
                  Nächste Lesung aus dem Buch 
                   
                    Siehe die Website des Autors. 
                     
                   
                   
                   
                   
                   
                    
                     
                   
                   
                      
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