Home  
  Lebensdaten  
  Bücher  
  Filme  
  Ausstellungen  
  Demnächst  
  Wortmeldungen  
  Leseangebote  
  Impressum  
 
 
Bücher

Johannes R. Becher:
Hundert Gedichte

 

Hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Jens-Fietje Dwars

164 Seiten, in ziegelrotes Leinen gebunden, Lesefaden
ISBN: 978-3-351-03245-6
14,00 Euro

Aufbau Verlag Berlin

 

Goldkörner im Schutt eines Vielschreibers: Als der Staatsdichter der DDR schlechthin scheint Becher (1891-1958) erledigt zu sein, obwohl er doch einmal zu den Wortführern des Expressionismus, zur Avantgarde der deutschen Literatur zählte. Aus den 4000 Gedichten, die er hinterließ, wird hier nach den 100 bleibenden gesucht – jenseits ideologischer Vorurteile.
Jetzt erst, in seinem 50. Todesjahr, wird der Lyriker in der erstaunlichen Breite und Vielfalt seiner Themen und Formen kenntlich.

Aus dem Nachwort:

"Die wenig gelungenen Stellen
Aus meinen kaum gelungenen Gedichten
Wird man auswählen,
Um zu beweisen,
Ich wäre euresgleichen."

Bechers Gedichte, die nur noch für Historiker oder Ideologen von Wert sind, finden keinen Eingang in die vorliegende Auswahl. Sie sucht nach dem Bleibenden im Werk des Lyrikers. Denn 50 Jahre nach seinem Tod sollte die Zeit reif sein, vorurteilsfrei das Ganze zu sichten, nach den Versen zu fragen, die uns heute ansprechen, die uns selbst zu bereichern vermögen.
Das unsäglich Schwache, das sich mit dem Staatsdichter Becher verbindet, sei nicht verschwiegen. Aber es soll uns auch nicht mehr daran hindern, das Lebendige wahrzunehmen, das er uns über die Zeiten hinweg mitzuteilen hat. Weiterwirkendes, das gerade aus der Intensität erwächst, mit der er sich in die Kämpfe seiner Zeit einließ. (...)
Am stärksten sind die Gedichte, in denen sich Becher für die Erfahrungen anderer öffnet, ihre Lebenskräfte verdichtet, seine Sprache denen leiht, die zum Verstummen gebracht wurden. (...) Sein poetisches Testament hat er noch auf dem Krankenbett als Flaschenpost verfaßt: „Petrarca“ – ein Bild der DDR, gespiegelt im Labyrinth der Zeiten. Und ein letztes Bekenntnis zum Fegefeuer der Dichtung, die nicht in den Himmel der Ideologen gehört: „Ich litte dort in eurem Paradiese / (...) / Ich wähl die Hölle und begehr nur diese!“.

 

 

Leseprobe:


Familie

Sie sitzen warm am Tische. In der Fibel
Die Kinder blättern. Rings behaglich-stumm.
Es trägt die Mutter auf den Suppenkübel.
Der Vater bringt jetzt eine Henne um.

Die Uhr, sie hinkt mit furchtbarem Gedröhn
Durch Tag und Nacht. Da rauscht ein Sturm vorbei.
Der Unterricht beginnt um Viertel zwei.
Ein Telegramm verheißt den Sonntag schön.


Aus dem Band: „Verfall und Triumph“ (1914)

 

 

Herstellung: poliTEXTbüro Update: 25.05.2018